Schutz von Kindern und Jugendlichen
TOP 10 ‑ Änderung der Landesverfassung (Drucksache 16/1291)
Sandra Redmann:
Schutz und Förderung für die gesamte kommende Generation
Wir werden jetzt endlich ‑ nur ein halbes Jahr nach der letzten Verfassungsänderung ‑ im Konsens den Schutz der Kinder und Jugendlichen als gemeinsame Aufgabe des Landes, der Kommunen und der Verwaltung in der Landesverfassung verankern. Meine Gefühle darüber sind sehr zwiespältig. Natürlich überwiegt die Freude darüber, dass unser Koalitionspartner im Zuge der öffentlichen Diskussion seine bisherige Auffassung überdacht hat, nachdem wir uns in den Koalitionsverhandlungen 2005 und bei der Verfassungsnovellierung 2006 noch nicht auf eine solche Ergänzung der Staatsziele in unserer Verfassung hatten verständigen können.
Schleswig-Holstein wird damit in wenigen Monaten zu den Bundesländern gehören, die den Schutz und die Förderung von Kindern und Jugendlichen zum Staatsziel erhoben haben. Ein Blick in die Länderverfassungen zeigt, dass mit uns 12 der 16 Bundesländer sehr unterschiedlich gefasste derartige Schutzklauseln in ihren Verfassungen haben.
Ich will aber nicht verschweigen, dass bei aller Freude über die nun anstehende Änderung unserer Verfassung ich auch betroffen darüber bin, dass wir eine solche Klausel in unserer Verfassung überhaupt benötigen. Wir schützen in unserer Landesverfassung die nationalen Minderheiten und die Regionalsprache Niederdeutsch; wir tun das deshalb, weil diese in ihrem Bestand bedroht sind. Wir schützen die natürlichen Grundlagen des Lebens, weil der klimatische Wandel für jeden von uns und erst recht für die kommenden Generationen zur existentiellen Bedrohung werden kann. Wir haben vor wenigen Monaten die Rechte der pflegebedürftigen Menschen in unserer Verfassung verankert, weil die Gesellschaft diejenigen schützen muss, die ihre Interessen nicht mehr uneingeschränkt selbst wahrnehmen können.
Und deshalb stellt sich mir die Frage: Wie weit ist es mit unserer Gesellschaft eigentlich gekommen, wenn wir unsere eigenen Kinder so unter Schutz stellen müssen, als seien sie in ihrer Existenz bedroht? Es geht der SPD bei dieser Verfassungsänderung, für die wir schon seit langem eintreten, nicht um die Beglückung einer Lobby aus den verschiedenen Kinder- und Jugendschutzverbänden oder der UNICEF, die diese Verankerung schon lange fordern.
Worum es uns geht, ist eine Neujustierung unserer gesellschaftlichen Prioritäten. Die beantragte Verfassungsänderung ist ein Auftrag an das Land, die Kommunen und die Verwaltung, die Belange von Kindern und Jugendlichen auf ihre Prioritätenliste um etliche Plätze nach vorne zu ziehen. Wir und die anderen Bundesländer unterliegen auf allen Ebenen Sparzwängen. Aber diese dürfen nicht dazu führen, dass die Jugendämter handlungsunfähig gespart werden. Das Bremer Beispiel spricht gerade hier Bände.
Und das liegt mir besonders am Herzen ‑ Schutz und Förderung gelten nicht nur Kindern und Jugendlichen, die in besonders schwierigen Lebensumständen aufwachsen müssen. Sie gelten der gesamten kommenden Generation. Sie umfassen nicht nur die Einrichtungen der Jugendhilfe, sondern auch die Einrichtungen der vorschulischen Kinderbetreuung und die Schulen selbst, die wir zu Ganztagsschulen ausbauen wollen und auch ausbauen müssen, damit ungünstige Lernbedingungen zu Hause kein Hindernis mehr für einen erfolgreichen Schulbesuch sind.
Ich bitte Sie, den Antrag in den Innen- und Rechts- sowie den Sozialausschuss zu überweisen.
Wenn wir den Antrag dann bald in Zweiter Lesung verabschieden und in geltendes Verfassungsrecht umwandeln, müssen wir alle uns darüber im klaren sein, dass die Verankerung eines Staatsziels in unserer Landesverfassung nicht bedeutet, dass dieses Ziel bereits erreicht wäre.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit